„In Hannover sollen über 60 Mio. Euro für den Ausbau der D-Linie investiert werden, die Erreichbarkeit der Innenstadt wird sich hierdurch aber für alle Verkehrsträger eher verschlechtern“, so Martin Prenzler, Geschäftsführer der City-Gemeinschaft. Vier Wirtschaftsverbände und Kammern haben zu dem jetzt vorgelegten Verkehrsgutachten eine gemeinsame Position formuliert.
Gemeinsam vertreten die vier Wirtschaftsorganisationen die Auffassung, dass das jetzt vorgelegte Verkehrsgutachten zur Neuführung der D-Linie zu viele Fragen offen lässt, um auf dieser Grundlage eine Investitionsentscheidung in Millionenhöhe zu treffen. Viele wichtige Sachverhalte bleiben unberücksichtigt: Verkehrsangaben sind nur für einen Teil der Knotenpunkte vorhanden; Informationen zu den Rahmenbedingungen der Gutachtenerstellung fehlen fast vollständig. Fußgängerampeln und Abbiegespuren sind nicht angegeben, die Qualitätseinstufung der aktuellen Situation am Ernst-August-Platz ist widersprüchlich dargestellt, und sogar die Fahrtrichtung der Sperrung des Posttunnels wurde teilweise falsch vermerkt.
Addiert man die genannten Zahlen für die Zufahrten in den City-Bereich, stellt man fest, dass der Gutachter mit einem Rückgang des Verkehrs von 20 Prozent im zentralen Innenstadtbereich rechnet. Dies ist unverständlich, denn die aktuellen Verkehrsmengen sollten erklärtermaßen Grundlage des Verkehrsgutachtens sein. „Nach Einschätzung des Handelsverbandes ist aufgrund des immer größer werdenden Einzugsbereichs sogar mit steigenden Verkehrslasten zu rechnen“, so Hauptgeschäftsführer Ullrich Thiemann.
Von großer Bedeutung für den Verkehrsfluss, insbesondere bei Abbiegeverkehren, ist der Fußgänger- und Radverkehr. Der ist aber in den Verkehrszählungen gar nicht enthalten. In den Simulationen, die auf Basis des Gutachtens gezeigt wurden, kommen zum Beispiel am City-Ring Fußgänger und Radfahrer nur vereinzelt vor. So ist die rechnerische Leistungsfähigkeit der Knoten natürlich höher, als es sich im tatsächlichen Verkehrsablauf darstellt.
„Wir halten die Ergebnisse des Verkehrsgutachtens nicht für plausibel“, so Dr. Horst Schrage, Hauptgeschäftsführer der IHK Hannover. „Wie kann der City-Ring am Raschplatz eine sogar noch verbesserte Verkehrsqualität aufweisen, wenn durch einen Abriss der Hochstraße nur noch eineinhalb statt dreieinhalb Fahrspuren zur Verfügung stehen sollen.“ Durch die Weiterführung der D-Linie bis zum Platz der Kaufleute ist darüber hinaus keine wirkliche qualitative Verbesserung für die Kunden des ÖPNV zu erwarten.
Auch in der zentralen Innenstadt wird es eng. Wie soll die Schillerstraße einen Verkehrszuwachs um über 150 Prozent aufnehmen? Hierzu gibt es keine Aussagen. „Wer heute an den Knotenpunkten steht, sieht, dass der Verkehrsablauf schon in normalen Hauptverkehrszeiten kritisch ist. Die Einstufung des Gutachtens geht aber durchgängig von guten Verkehrsqualitäten aus. Dies ist so nicht realistisch“, stellt Jans-Paul Ernsting, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Hannover, fest.
Nicht nachvollziehbar ist auch die Bewertung des Knotenpunktes Herschelstraße/Kurt-Schumacher-Straße. Der Linksabbiegeverkehr aus der Andreaestraße soll deutlich zunehmen, der ÖPNV-Takt steigen, die Verkehrsqualität aber trotzdem gut sein.
Den erheblichen Widerspruch zwischen der Einstufung der Verkehrsqualität im Rahmen der Berechnungen und der Wahrnehmung des tatsächlich vorhandenen Verkehrsflusses konnten auch intensive Gespräche mit der Verwaltung nicht auflösen.
Aus Sicht der Wirtschaft ist es zwingend erforderlich, die gesamte Planung noch einmal grundsätzlich zu überdenken:
- Die Tunnellösung für die D-Linie wäre städtebaulich und verkehrstechnisch für Hannover die beste Lösung. Wie die Diskussion zeigt, ist nicht glaubwürdig belegt, dass diese Lösung im Variantenvergleich und unter Berücksichtigung der langfristigen Vorteile für die Innenstadt nicht doch wirtschaftlich darstellbar ist.
- Bereits aktuell treten im Innenstadtbereich, im Quartier Herschelstraße, Kurt-Schumacher-Straße und Schillerstraße erhebliche Verkehrsprobleme in den Hauptverkehrszeiten auf. Gerade dieser Bereich ist aufgrund seiner Bedeutung für die Erreichbarkeit der innerstädtischen Parkhäuser und für den Wirtschaftsverkehr aber von besonderem Gewicht. Um hier kurzfristig und mit sehr geringen Kosten zu Verbesserungen zu kommen und gleichzeitig die Barrierefreiheit der D-Linie zu erreichen, ist die sogenannte Scheelhaase-Lösung detailliert auf ihre Umsetzung zu prüfen.
- Sollten die vorgenannten Varianten nicht umsetzbar sein, ist sogar eine Optimierung der bisherigen Streckenführung den jetzt vorgelegten Planungen vorzuziehen. Auch hier wären erhebliche Verbesserungen des Verkehrsablaufes im Innenstadtbereich zu erzielen. So könnten mit der Herausnahme von Buslinien und der zumindest teilweisen Rücknahme von Bevorrechtigungen insbesondere am Ernst-August-Platz, deutliche Verbesserungen erreichet werden. Gerade die Bevorrechtigung führt dort zu extrem langen Wartezeiten, insbesondere auch bei den Fußgängerströmen.